Gendersensible Regionalentwicklung – Genderorientierte Regionalpolitik

Am 1. September fand im Rahmen des Forschungsmarktes von Regiosuisse ein Thementisch „Gendersensible Regionalentwicklung“ statt. Der Erfahrungshintergrund der Teilnehmerinnen und Teilnehmer war sehr unterschiedlich, von der Regionalmanagerin, die sich bis jetzt kaum mit dem Thema beschäftigt hat, bis zur österreichischen Fachfrau, die sich in Wien mit Gender-Budgeting, einer Prüfung aller Budgedposten hinschichtlich der Auswirkungen auf die geschlechterspezifischen Lebensbedingungen, beschäftigt. Ich möchte die Diskussion zum Anlass nehmen das Thema auf den Blog zu setzen
– Diskussionbeiträge sind sehr willkommen!

Die Regionalpolitik ist ein Politikbereich, der nicht explizit auf die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern zielt, jedoch mit ihren Massnahmen, sei es bei der Infrastruktur- oder Unter­neh­mensförderung, wichtige Auswirklungen auf die Geschlechterverhältnisse hat. Gleichstellung ist bis jetzt kaum ein Thema im Zusammen­hang der schweizerischen Regionalpolitik. Dies, trotz der neuen Ausrichtung der Regionalpolitik im Rahmen der „Neuen Regionalpolitik“ (NRP) seit 2008 mit einem starken Fokus auf der optimalen Ausschöpfung von lokalen Ressourcen, insbesondere von Human­ressourcen, und der Tatsache, dass in den umliegenden Ländern der EU Gleichstellungs­massnahmen im Sinn des Gender Mainstreaming im Zusammenhang von Regionalentwicklungsprojekten seit gut einer Dekade Pflicht sind.

Seit dem 1. Januar 2008 ist das Bundesgesetz über Regionalpolitik vom 6. Oktober 2006 in Kraft. „Dieses Gesetz soll die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Regionen stärken und deren Wertschöpfung erhöhen und so zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen in den Regionen, zur Erhaltung einer dezentralen Besiedlung und zum Abbau regionaler Disparitäten beitragen.“ (vgl. BRP, Art. 1). Mit diesem Gesetz möchte man das unternehmerische Denken und Handeln in den Regionen sowie die Innovationsfähigkeit fördern und dafür möglichst alle regionalen Potenziale ausschöpfen. Nicht mehr Infrastrukturförderung sondern die Humanressourcen stehen im Vordergrund.

Das wirtschaftliche Umfeld hat sich verändert. Der Agrarsektor hat von der direkten wirtschaftlichen Wertschöpfung her gesehen weiter an Bedeutung verloren. Bergbauernfamilien sind in erster Linie zu Landschaftspflegern geworden. Viele Kleingewerbe gibt es nicht mehr, ihre Dienste werden nicht mehr nachgefragt, oder Kleinbetriebe wurden und werden von grösseren geschluckt. Die öffentliche Hand mit den bisher gut abgesicherten Arbeitsplätzen zieht sich zurück. Sowohl der Tourismus als auch die Industrielle Fertigung stehen in globaler Konkurrenz. Bestehen kann, wer Masse bringt oder die Nische findet. Die Mobilität von Menschen und Informationen ist entscheidend grösser geworden.

In diesem Zusammenhang gäbe es gute Gründe den unterschiedlichen Lebenszusammenhängen von Frauen und Männern mehr Rechnung zu tragen – ohne dabei zu vergessen, dass es sehr unterschiedliche Lebenslagen, Erfahrungen und Bedürfnisse von verschiedenen Männern und Frauen gibt:

  • Bei einer Regionalpolitik, die – implizit – einseitig auf die Erwerbstätigkeit von Männern ausgerichtet ist, werden wichtige Potenziale nicht genutzt, dies verursacht gesellschaftliche Kosten.
  • In vielen der NRP-Umsetzungsprogramme wird die soziale Nachhaltigkeit gegenüber der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit nur marginal angesteuert. Ist Nachhaltigkeit ohne den sozialen Aspekt nachhaltig?
  • Mit der höheren beruflichen Qualifikation von Frauen und den zum Teil dramatischen demographischen Entwicklungen verändern sich auch Geschlechter- und Generationenverträge. Wissen wir wie sie sich verändern?
  • Nachdem in der EU 1999 mit den Amsterdamer Verträgen in der Regional­politik „Gender Mainstreaming“ zum handlungsleitenden Prinzip wurde, gibt es in Nachbarländern mehr als 10 Jahre Praxiserfahrung, die für den schweizerischen Kontext zu nutzen wäre.

Wichtig sind lokale Initiativen, aber auch die Unterstützung von oben. Die Erfahrung in Oesterreich hat gezeigt, wie entscheidend es war, auf die Projektförderbedingungen aus Brüssel zu verweisen. In diesem Sinn gilt es, am Thema dranzubleiben.

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