Alpwesen in der Surselva des 20. Jahrhundert

In annalas 2022 erscheint mein Beitrag zum Alpwesen in der Surselva des 20. Jahrhunderts

Abstract
Der hier veröffentlichte Text basiert auf einem Vortrag anlässlich der Ausstellung von Fotografien zum traditionellen bäuerlichen Leben in der Casa d’Angel, Lumbrein (2020). Er will zeigen, wie die Leute in der Surselva die Sömmerung des Viehs handhabten und wie sich die herkömmliche Praxis, auch durch Einflüsse von aussen, im Verlauf der Zeit veränderte. Themen sind die Alltagsstruktur, Funktion, Bedeutung und Organisationsformen des Alpwesens sowie die Sach- und immaterielle Kultur mit Alpbräuchen und -sitten. Konkret und detailliert dargestellt wird das Älplerleben am Beispiel der Alp Naustgel, Sumvitg, vor und nach der Modernisierung in den 1970er- und 1980er-Jahren.

Alpkultur in der surselva

EIN ÜBERBLICK UND EINBLICKE IN LEBENS- UND WIRTSCHAFTSFORMEN von Sömmerungsalpen im 20. Jahrhundert[1]

Robert Kruker

1.Einleitung

In diesem Text geht es um Zustände und Entwicklungen der Viehsömmerung in der Surselva von der Schwelle bis zum Ende des 20. Jahrhunderts.[2] Ziel ist es, einerseits Vorgänge der vormodernen Alpkultur der Surselva in Erinnerung zu rufen, andererseits Veränderungen zu beschreiben und zu begründen. Eine wichtige Grundlage und Leitlinie für die vorliegende Darstellung war Das Alpwesen Graubündens – Wirtschaft, Sachkultur, Recht, Aelplerarbeit und Aelplerleben – von Richard Weiss, ein «Klassiker der Volkskunde mit Ausstrahlung in manche andere Wissenszweige»[3]. Nebst überblicksmässigen Informationen und Schlaglichtern zur Alpwirtschaft in der Surselva mit einigen Verweisen zum gesamtbündnerischen Alpwesen dient als konkretes Beispiel des Wandels die Alp Naustgel in der Gemeinde Sumvitg.

 

  1. Geschichte, Funktionen und Bedeutung der Alpwirtschaft in der Surselva

«Die Bewohner des Bündner Oberlandes waren im Hoch-und Spätmittelalter bis in die Neuzeit vorwiegend Alpwirtschafter, in der Gegenwart zugleich starke Rassenvieh-Züchter», sagte der Disentiser Pater Karl Hager 1916 in seinem Vortrag Aus dem Wirtschaftsleben im bündnerischen Vorderrheintal.[4] Das Zuchtvieh war für den Markt bestimmt; die Milchprodukte dienten der Selbstversorgung. Die Tradition der Rindviehzucht hatte sich bis Ende des 20.Jahrhunderts gehalten. Langezeit waren die Viehzüchter im Herbst mit ihren Tieren über den Alpenkamm auf die Viehmärkte nach Süden gezogen; im Verlauf des 19. Jahrhunderts und 20. Jahrhunderts verschwand diese Form des Exportes. Es tauchten zunehmend Viehhändler aus dem schweizerischen Mittelland auf, um gesömmertes Vieh zu kaufen. Mehr und mehr etablierte sich in der Surselva (wie in anderen Bergregionen) die Vertragsaufzucht von Rindern und Mastkälbern. Dabei blieben die Tiere Eigentum der Unterländer Bauern und die Berglandwirtschaftsbetriebe erhielten eine vertraglich geregelte Entschädigung.[5] In der Projektarbeit Der Bündner Alpkäse, Ursprung und Tradition vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert zeichnete der Agrarwirtschafter und Älpler Reiner Schilling nach, wie sich Eigenschaften und Qualität der auf den Bündner Alpen hergestellten Käse veränderten: Über Jahrhunderte waren magere Käse- und Zigersorten aus entrahmter Milch und Butter für die Selbstversorgung hergestellt worden[6]. Bündner Alpkäse war im Jahr 1901 zu 98.5% ein viertelfettes Produkt, im Jahr 2001 zu 91% vollfett.[7] Käsereikulturen, nützlich für eine konstant bleibende Qualität, wurden in Graubünden seit Mitte des 20. Jahrhunderts zunehmend verwendet und hatten in Kombination mit einem in den Sennenkursen des Plantahofs in Landquart empfohlenen Fabrikationsplan zur Folge, dass Geschmack, Konsistenz und Haltbarkeit der Alpkäse sich tendenziell anglichen[8].

Im Vorderrheintal spielte sich die Sömmerung des Viehs auf den Weideflächen ab, die einerseits hoch oben an beiden Seiten des Haupttals lagen und andererseits in und über den Seitentälern wie z.B. Safiental, Val Lumnezia, Valser Tal, Val da Pigniu, Val Gronda, Val Sumvitg, Val Russein, Val Medel, Val Giuv. Die Alpweidegebiete der Surselva waren im 20. Jahrhundert mehrheitlich Eigentum einer oder mehrerer Gemeinden an deren Territorien sie grenzten. Es gab aber auch Alpen, die von weiter weg bestossen wurden, wie zum Beispiel die Alp Ranasca am Weg zum Panixerpass. Diese wurde seit Ende des 15. Jahrhunderts von Bauern aus Domat/Ems genutzt.[9]Auf manchen Alpen im Lugnez hatten Bauern aus dem Haupttal vor langer Zeit Alprechte gekauft. Für Castrisch war der Besitz der Alp Cavel: «Ein wichtiger Pfeiler für die Viehwirtschaft (…). Die Alp wurde zum eigentichen Identifikationsmerkmal der ganzen Nachbarschaft bis ins 20. Jahrhundert.»[10] Auch am Diesrut wurden Alprechte durch Auswärtige aufgekauft, von Bauern, die keine Alprechte am Wohnort hatten, unter anderem von Brigelser Nicht-Ortsbürgern.[11] Die Alpen Sogn Gagl und Ronadadura in der Val Medel waren Eigentum des Klosters Disentis.[12] Die Kuhalpen der Surselva wurden überwiegend mit genossenschaftlicher Sennerei betrieben. Ausnahmen gab es im walserisch geprägten Safiental mit dem traditionellen Einzelapungssystem und der Einzelsennerei[13], so wie sie langezeit auch im Wallis betrieben worden war.

Die Alpen brachten traditionellerweise Ertrag und Vorräte für den Winter: Milch, Butter, Käse und das Fleisch der mit der Molke gefütterten Alpschweine. Diese Wintervorräte waren für die Bauernfamilien in Zeiten der Selbstversorgungswirtschaft essentiell. Während des Alpsommers stieg der Wert der gesömmerten Tiere; Gräser und Kräuter auf den Alpen waren wertvolles Futter, gut für die Tiergesundheit und nützlich im Hinblick den Viehabsatz im Herbst. Das Sömmern des Viehs auf den Alpen entlastete den landwirtschaftlichen Talbetrieb. Die Wiesen in Dorfnähe waren vom Weidgang verschont und ihr Gras wurde zu wertvollem Winterfutter. Um die Dorfhaushalte während der Abwesenheit der Kühe mit Milch zu versorgen, hatte man Ziegen. Diese wurden während des Sommers täglich auf Weiden bis weit hinauf und wieder zurück getrieben. Die Alpzeit dauerte in der Surselva der Regel zwischen 90 und 100 Tagen, von anfangs/Mitte Juni, dem Beginn der Zeit des Heuens, bis zur Alpabfahrt Mitte September.

Die Nutzung der Alpweiden hatte auch einen ökolgischen Wert. Sie verhinderte die Verbuschung der Weidelandschaft zwischen der Waldgrenze und den hochgelegenen Schutthalden oder Felsgebieten und wirkte bis zu einem gewissen Grad präventiv mit Bezug auf Murgänge, Schneerutsche und Lawinen. Alppersonen pflegten die alpine Landschaft und nahmen Veränderungen im Gefahrenpotenzial wahr. Die Bauern waren zum Gemeinwerk auf den Alpen verpflichtet und leisteten so einen Beitrag  zur Weide- und Landschaftspflege.

 

  1. Bewegungen: Vertikal, horizontal und über Grenzen

3.1 Die Alpwirtschaft als Teil der für die Berglandwirtschaft typischen Stufenwirtschaft

Die Alpwirtschaft war seit jeher Teil der alpinen Stufenwirtschaft, in der die bäuerliche Gesellschaft sich in einer Art alpinem Nomadismus im Jahreszeitverlauf hinauf und hinunter bewegte. In der Surselva hatte die Stufenwirtschaft drei bis vier Arbeitsorte auf verschiedenen Höhenstufen: Die Talbetriebe mit den fetten Heimwiesen ((praus casa)), den Äckern und den Stallscheunen im Dorf, die Gadenstätten ((Aclas)) mit den auf dem Wiesland verstreuten Stallscheunen ((Clavaus)), darüber die Maiensässe ((mises/cuolms)) mit Stallscheunen und kleinen Wohnhütten. Die Magerwiesen auf der Maiensässstufe wurden im Spätsommer einmal gemäht und vor und nach der Alpzeit beweidet. Zu den Alpen gehörten oft verschiedene Stafel, auf dem untersten standen in der Regel die Gebäude, während die obersten Stafel oft ohne Gebäude waren. Die Bewirtschaftung erfolgte von unten nach oben und wieder zurück.[14] In den steilsten Zonen, die für die Beweidung ungeeignet waren, befanden sich Wildheuplanggen. Diese wurden im Lugnez und in Vals früher periodisch gemäht und deren Heu ((fein a pastg)) liess man, zusammengeschnürt mit Heuseilen in grossen Bündeln an Drahtseilschleifen ins Tal sausen oder es wurde im Winter auf dem Schnee ins Tal gezogen[15]. In Breil/Brigels und Waltensburg/Vuorz, zwei Terrassendörfern auf der Sonnenseite des Haupttals nutzten die Bauern vier Wirtschaftsstufen: Die Gadenstätten unterhalb des Dorfes, zum Teil auch im Talboden des Rheins, die Heimwiesen am Dorfrand, die Maiensässe und die Alpen.[16] Trotz Alpweiden, Wildheu, Heu und Emd waren die Futtervorräte im Winter oft knapp, sodass man die Tiere womöglich, auch in Dorfnähe weiden liess. «Während der Spätherbst-, Winter- und Frühjahrsperiode, also in der Zeit, da das Vieh der Alpsömmerung entzogen ist und in den Ortschaften sich aufhält, steht sämtlicher Gemeinde-, Korporations- und Privatbesitz dem kommunalen Weidgang offen; daher ist auch der Privatboden nicht durch Zäune geschützt, ausser jenen Parzellen, die durch Loskauf für Gartenanlagen befreit wurden».[17]

3.2 Die hochgelegenen Sommerweiden

Ab Mitte Mai wurde das Grossvieh auf die Heimweiden und die Maiensäße getrieben. Im Juni, falls vom Gelände her möglich, direkt von den Maiensäßen auf meist schmalen Pfaden zur Alp. In der Regel schloss die Alpstufe an die Maiensäßwiesen an. Wo die Grenzen dazwischen nicht naturgegeben durch Bachtobel, Wald oder felsiges Gelände gegeben waren, wurden Holzzäune oder Trockenmauern errichtet, bevor es elektrische Weidezäune und Netze gab. Im Safiental war der Kreuzzaun, auch Schrägzaun genannt, üblich. Dieser Zauntyp konnte im Herbst leicht umgelegt werden, er brauchte allerdings viel Holz. Zwischen verschiedenen Alpen, entlang von früheren oder heutigen Gemeindegrenzen, wurden oft Trockensteinmauern errichtet. Diese verliefen zum Teil höhenkurvenparallel, wie zum Beispiel zwischen zwischen den Alpen von Andiast und Waltensburg/Vuorz. oder aber in der Falllinie wie der Steinwall zwischen Tschegn dadens (Breil/Brigels) und der Alp von Schlans. Wenn die Alp weit vom Dorf entfernt war, wie beispielsweise die Grossalp in Safien, die nach der Reformation ins Eigentum der Dorfschaft Valendas gelangt war[18] oder die bereits erwähnte Alp Cavel, für die die Castrischer im Jahr 1527 Nutzungsrechte gekauft hatten[19], war der Alpauftrieb aufwändiger. So auch beim Vieh, das aus Domat/Ems während Jahrhunderten über eine Distanz von über 30 km auf die Alp Ranasca oberhalb von Pignu getrieben worden war.[20]

3.3 Von der Valle di Blenio über den Alpenkamm in die Surselva

Zuhinterst in den südlichen Seitentälern des Vorderrheins betrieben Leute aus dem Bleniotal jahrhundertelang eine die den Hauptkamm der Alpen überschreitende Weidewirtschaft. Im eigenen, kargen und steilen Territorium im Süden waren die Alpungsmöglichkeiten sehr beschränkt. Auf Vriner Gebiet hatten sich die Leute aus dem Bleniotal Weiderechte auf den Alpen Blengias, Scharboden, Greina und Diesrut gesichert.[21] Bei der grenzüberschreitenden Weidenutzung hatte es auch Streitigkeiten gegeben.[22] Hinter Vals-Zervreila war es die Lampertschalp/Alp Soreda, die bis 1885 über den 2759 hohen Soredapass von Leuten aus Castro, Marolta und Ponto Valentino bestossen wurde[23], und in der Val Medel nutzten Blenieser Bauernfamilien die um 2005 renovierten Alpen Puzzetta und Stgegia. Erstere wurde 1962 von der Gemeinde Medel zurückgekauft[24], letztere blieb Eigentum des Patriziato von Dongio.

Grenzüberschreitungen gab es auch über die Alpennebenkämme: Bauern aus Brigels, Danis und Dardin trieben während mehr als 100 Jahren jeden Sommer um die 1500 Schafe über den Kistenpass ins Glarnerland. Sie nutzten grosse Alpweideflächen als Schafalp, auch den inzwischen im Stausee versunkenen Limmernboden. Sie hatten die Weiden 1863 und 1867 den Glarner Besitzern abgekauft, behielten sie als Eigentum bis 1912 und nutzten die Weiden zwischen Muttsee und Kistenpass weiterhin bis 2005.[25]

 

  1. Die Menschen und ihre Arbeit : Senn und Sennin, Hirt und Hirtin, Gehilfen

Die genossenschaftlichen Alpen der Surselva wurden bis in die 1960er Jahre in der Regel von fünf bis sechs männlichen Personen unterschiedlichen Alters betrieben. Dazu gehörten der Senn/il signun, der Zusenn/ il tersiel (Sumvitg) bzw. il zezen (Breil/Brigels), der erste Hirt/il paster grond, der zweite Hirt, il paster pign, und der Bube/il buob.[26] Bis in die 1960er Jahre war das angestellte Alppersonal in der Surselva praktisch nur männlich. Es wurde dann aber auch im Oberland, wie vorher bereits in anderen Gebieten Graubündens, zunehmend schwieriger, Leute für die Arbeit auf den Alpen zu finden.[27] Dabei war es in der ersten Hälfte des 20. Jahrunderts für Männer und Knaben aus der Surselva, vor allem aus dem Raum Ilanz und den Lugnez, noch üblich, dass sie auf Alpen im Oberengadin arbeiten gingen.[28]

In den 1970er Jahren interessierten sich mehr und mehr Leute aus urbanen Gebieten, damals als «Aussteiger» bezeichnet, für die Arbeit in der Land- und Alpwirtschaft. Minimale Voraussetzung für den Besuch eines Sennenkurses am Plantahof war ein landwirtschaftliches Praktikum. Damals kamen die ersten, meist gut ausgebildeten Frauen auf die Alpen, einige von ihnen waren auch bald Instruktorinnen an den Sennenkursen (Maeder&Kruker 1983, 140-145, Kruker 1992, 1031).[29] In der Surselva, zum Beispiel auf der Alp Naustgel in der Val Sumvitg, erfolgte der Beizug von auswärtigen Hirtinnen und Sennen ab den 1990er Jahren, also später als in anderen Gebieten Graubündens. Auf Naustgel waren es in den letzten zwei Jahrzehnten zuerst Leute aus der Zentralschweiz, dann kamen sie aus dem St. Gallischen, aus Deutschland, Österreich und Liechtenstein.

 

  1. Alp Naustgel (Sumvitg) – traditionell bis 1984

Die Alp Naustgel liegt zwischen der Garvera und dem Piz Muraun in der Val Sumvitg. Die vordere und die hintere Alp Naustgel waren bis 1876 im Besitz des Klosters Disentis und «als Erblehen den Freien von Sumvitg» zur Nutzung überlassen. Seit 1877 gehörte die Alp mit den beiden Sennten der Gemeinde Sumvitg, die sie «jeweils für zehn Jahre den Alpgenossen zur Bewirtschaftung überliess (… )mit Aussicht auf Vertragsverlängerung. Im Jahr 1900 wurden hier zweihundert Kühe gealpt und gemolken. Im Frühsommer traten die Bauern gemäss Alpstatuten jeweils zum Gemeinwerk an. Dazu gehörten das Zäunen, das Ausbessern der Wege, das Bereitstellen des Feuerholzes und das Rücken der Sennhütte».[30] Der Verfasser des Alpkatasters für Graubünden bezeichnete die Alp in den 1960er Jahren als «gute Kuhalp mit ungenügender Zufahrt und schlechten Gebäuden».[31] Zwischen 1978 bis um 1985 fand ein Übergang von der althergebrachten Wirtschaftsweise mit einfachsten Hilfsmitteln und Arbeitsmethoden[32] zu einer gut erschlossenen Alp mit modernen Gebäuden und Einrichtungen statt.[33] In den späten siebziger Jahren hatten der Senn Pauli Degonda, der Zusenn Meinrad Degonda, der erste Hirt Gion Gieri Tuor, der zweite Hirt Walter Maissen und der Buob Sep Benedetg Candinas um die 100 Kühe im Freien zu melken. Das war besonders dann eine anstrengende und eher unangenehme Angelegenheit, wenn es auf der knapp 2000 Meter über Meer gelegenen Alp regnete – und das tat es auf der unweit der Wetterscheide Plaun la Greina entfernt liegenden Alp nicht wenig. In jenen Jahren schneite es auf Alp Naustgel jeden Sommer noch einige Male. Bei extremen Verhältnissen trieben die Hirten die Herde ins 130 Meter unterhalb des Stafel- und Melkplatzes gelegene Schneefluchtgebiet Puoz, wo schützende Bäume standen. Als Melkgefässe dienten runde hölzerne Eimer. Ihre Form ist war seit Jahrhunderten gleichgeblieben.[34] Die Abendmilch wurde zentrifugiert für die Nacht ins Käsekessi geleert. Vorher, bis 1969, war sie in grosse Holzgebsen gefüllt worden, um sie am Folgetag den Rahm abschöpfen und verbuttern zu können. Diese Veränderung wiederspiegelt den Übergang von der Magerkäseproduktion zum Fettkäse, der zunehmend für den Verkauf produziert wurde. Nach dem Melken konnten die Älpler vom einzigen Vorteil profitieren, den das Fehlen eines Stalls mit sich brachte: Die Kühe waren im Freien, die Alpknechte mussten weder Kühe an- und losbinden noch ausmisten. Es blieb das Reinigen der Milchgefässe und der von einem Benzinmotor angetriebenen Zentrifuge und dann das Kochen des Abendessens. Man ging zeitig schlafen in der Unterkunft des Alppersonal im Dachraum über dem Käsekeller, denn um vier Uhr morgens hieß es aufstehen und die Kühe einsammeln. In der Morgendämmerung stand die Herde bereit zum Melken. Während zweier Stunden waren die Melker an der Arbeit, füllten jeweils einen Eimer mit der Milch von zwei Kühen und pendelten mit den vollen Kübeln zwischen Stafelplatz und der Hütte. Diese war aus rohen, locker aufeinandergefügten Rundhölzern gebaut war, sodass Licht und Wind Einlass hatten. Die frische Milch wurde ins grosse bauchige Kupferkessi zur Abendmilch geschüttet. Pauli Degonda entfachte das Feuer in der offenen Grube. Der Rauch entwich durch die Lücken zwischen den Balken und durch den stets offenen Hütteneingang. Das Dach war dicht, mit groben Schindelbrettern gedeckt und in alter Art und Weise mit Balken und Steinen beschwert. Die alte Hütte war zerlegbar und konnte alle paar Jahre um einige hundert Meter zwischen den Stafelplätzen verschoben werden, um so einer Überdüngung des Melkplatzes entgegen zu wirken. Die Balken waren nummeriert, damit sie nach dem Transport wieder gleich aufeinandergefügt werden konnten. «Das schafften zwölf Bauern in der heute schier unglaublichen Zeit von einem Tag, inklusive Herdestelle und Schindeldach! Die stärksten Männer trugen einen Wandbalken ganz allein an den neuen Standort», schrieb Marianne Fischbacher, die frühere Konservatorin des Museum Regiunal Surselva, wohin Teile der Alphütte von Naustgel nach dem Abbruch transferiert wurden.[35] Im Bericht des verantwortlichen Ingenieurs über die Melioration der Alp Naustgel hiess es zum Zustand der alten Alp: «Die bestehenden Gebäude in der Alp, bis 1984 zweisässig betrieben, sind uralt, baufällig und unzweckmässig eingerichtet, an eine Sanierung war nicht zu denken.»[36] Und doch: Unter diesen einfachsten Bedingungen verkäste der Senn Pauli Degonda in den siebziger und frühen achtziger Jahren mit Ruhe und Sicherheit die Milch zu einem dreiviertelfetten Käse von guter Qualität. Die handlichen Käselaibe waren zwischen fünf und acht Kilogramm schwer; diese Grösse war abhängig vom Umfang des verschließbaren Holzreifs, in den die Käsemasse gefüllt und für einige Stunden auf einem massiven Holzbrett abgetropfte und gepresst wurde, bevor sie der Zusenn Meinrad Degonda in den 200 Meter entfernten, am Ende der damaligen Alpstrasse gelegenen Keller im Untergeschoss der massiv gemauerten Wohnhütte zur Lagerung, Pflege und Reifung trug.[37] Der Zusenn war auch verantwortlich für die Herstellung von Butter in einem alten hölzernen Drehfass, das seit 1959 von einem Benzinmotor angetrieben wurde, der damals von den Alpgenossen gekauft wurde.

 

Anfangs der 1980er Jahre wurde die Alpverbesserung geplant und durchgeführt. «Umfassende Melioration der Alp Naustgel, Gemeinde Somvix» hiess der Bericht des verantwortlichen Ingenieurs.[38] Einige Jahre vorher hatte Paul Berger von der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Futterbaus AGFF, Zürich-Reckenholz eine Standortuntersuchung und nachhaltige Nutzungsplanung für die Alp Naustgel erstellt. Er schlug vor, die Alp in je vier Schläge für die Tagweide und die Abendweide einzuteilen sowie einen Triebweg zu erstellen.[39] Es sollten nun 140 Kühe gealpt und in einem über 40 Meter langen und 15 Meter breiten «Doppel-Längsstall» maschinell gemolken werden. Der Stafelplatz für den neuen Stall kam 500 Meter südwestlich der alten Sennhütte zu liegen. Sein Standort wurde sorgfältig ausgewählt, er musste bezüglich Naturgefahren, wie Lawinen und Erdrutschen, geschützt sein. Die massive Holzkonstruktion sollte die zu erwartende Schneelast während des Winters tragen. Der Anbau zum Stall umfasste die Wohnung für das Alppersonal, den Milchraum, die Sennerei und den Käsekeller. Der Senn Pauli Degonda, der viele Jahre Alpäse im Kessi über dem offenen Feuer hergestellt hatte, machte von 1985 bis 1989 in der neuen Alphütte weiter[40], jetzt am Käsekessi mit 1400 Liter Inhalt, das nun mit Dampf erwärmt wurde.[41] Einige Jahre später hiess es in einem Kommentar zum 2001 gedrehten Film über den Alltag auf der neuen Alp die neue Sennerei sei «blitzblank, gekachelt und verchromt, die Älpler und das Vieh hören zu ihrer Arbeit flotte Rockmusik und die Köchin bäckt in der Küche einen leckeren Butterzopf».[42]

 

  1. Alpmodernisierung

Veränderungen wie auf der Alp Naustgel gab es in der Surselva des letzten Jahrhunderts viele.[43] Dabei ging es um mehrere Aspekte. Viele Alpgebiete wurden durch Fahrstrassen erschlossen, die Alpweiden neu eingeteilt unter anderem, um Galt- und Milchvieh oder Rinder und Ziegen auseinanderzuhalten. Als Rationalisierungsmassnahme wurden Kuhalpen zusammengelegt, wozu es eine regionale Alpwirtschaftsplanung brauchte.[44] Im weiteren wurden Sennereien auf den Alpen neu eingerichtet oder es wurden Milchleitungen erstellt und damit die Käseproduktion von der Alp in die Dorfsennerei verlagert. Ein Beispiel dafür ist die 1961 eingeweihte Cascharia in Pitasch.[45] Der Modernisierungsprozess der surselvischen Alpwirtschaft hatte in den 1950er Jahren mit dem Neubau von Alpställen und Sennereien begonnen, z.B. 1954 auf der Alp Falera, wo «eine der grösseren Meliorationen nach dem 2. Weltkrieg» durchgeführt wurde.[46] Die Erneuerung der Alpen verlief nicht überall gleich. In Vrin verblieb die Käseproduktion auf der ausgebauten Alp Ramosa[47], während in der Nachbargemeinde Lumbrein die Milch von der Alp Staviala Vedra über eine Pipeline in die Dorfkäserei floss.[48] Die Vorderalp Obersaxen wurde 1960 nach ihrer Erstellung als modernste Alp Europas bezeichnet.[49] Die Gebäude der Alp da Schlans waren bereits 1957-58 neu erstellt worden[50] und boten auch auswärtigen Bauern Gelegenheit, ihr Vieh dort zu sömmern, zudem solchen aus der im Vergleich zu Schlans viel grösseren Gemeinde Brigels, die zwar ihre Alpen Tschegn dadens und Quader für 80 Kühe beziehungsweise 200 Kühe ausgebaut hatten, wo niedergelassene Nichtbürger jedoch keine Alpplätze nutzen konnten oder wollten.[51] Kurz vor der Jahrtausendwende wurde die einstafelig bewirtschaftete Alp Pazzola, südwestlich von Mumpé Medel, auf 1861 m ü.M. gelegen und durch eine Alpstrasse von Mutschnengia-Stagias her erschlossen, umfassend erneuert. Pazzola wurde zur modernsten Alp der Surselva.[52] Die Form der 1995 erstellten Alpgebäude war unkonventionell . Um den großen Stafelplatz mit dem zentralen Brunnen wurden vier Viehunterstände, deren steile Zeltdächer fast bis zum Boden reichten, ein Melkstand und die Sennhütte angeordnet. Etwas abgesondert befand sich der Schweinestall. Die Alp wurde mit rund hundert Kühen von Bauern der Gemeinde Medel und der Fraktion Mompé Medel, die zu Disentis gehört, bestoßen. Die Alphütte wurde mit eine großzügigen Wohnung für die Älplerfamilie ausgestattet. Die Käserei war zeitgemäß eingerichtet. Dazu gehörten ein dampfbeheiztes Käsekessi mit 1600 Liter Inhalt, ein Milchraum mit zwei wassergekühlten Wannen, die je fünfhundert Liter Milch fassten, und ein Käsekeller für tausend Laibe. Mit der Wasserversorgung wurde auch der Strom für die Alp produziert. Nicht nur Gebäude und Einrichtungen waren nun top modern, auch die Weideorganisation war durchdacht: Durch die Aufteilung des Weidegebietes und mit einem Umtriebssystem konnte das Futtergras nun gezielt genutzt werden.[53]

 

  1. Tiere auf den Alpen der Surselva

Für den schweizerischen Alpkataster wurden die Mitte der sechziger Jahre auf den Alpen der Surselva gesömmerten Tiere erfasst.[54] Gezählt wurden 4‘530 Kühe ((vaccas)), 8‘917 Rinder, darunter einjährige ((stiarls)), zweijährige Mesen ((mugias)) und dreijährige Zeitkühe ((genetschas)), 3‘208 Kälber, Kuhkälber ((vadialas)) und Stierkälber ((vadials)), 1020 Schweine ((pors)), 29 Pferde ((cavagls)), 17‘708 Schafe ((nuorsas)), 2‘338 Ziegen ((cauras))[55]. Der Vergleich von Statistiken zum Rindvieh zeigt, dass sich innerhalb von rund 100 Jahren die Zahl der gealpten Tiere nicht wesentlich verändert hatte.[56] Es waren, den Alpungsregeln entsprechend, überwiegend Tiere, die in den Dörfern überwintert wurden. Nur bei den Schafen kam bereits im vorletzten Jahrhundert eine gewisse Zahl von auswärts zur Sömmerung in die Surselva.[57] Die Kühe, Rinder und Kälber gehörten traditionellerweise zur «razza brina sursilvana» und der «razza grischa sursilvana».[58] Das war kleinwüchsiges, behorntes geländegängiges Mehrnutzungsvieh, sowohl gut für das Fleisch wie auch für die Milch. Die Erträge waren eher tief, es waren keine Hochleistungstiere, aber sie waren langlebig und brachten den Tierärzten nicht allzuviel Arbeit. Während die Kühe und die für die Zucht bestimmten Rinder damals mehrheitlich den lokalen Bauernfamilien gehörten, stammte ein Teil des Jungviehs aus dem Unterland. Dieses wurde gesömmert und als trächtige Rinder ins Unterland zurückgegeben. Mit der sogenannten Aufzuchtvertragshaltung flossen Mittel in die berbäuerlichen Haushalte der Surselva, was ein bedeutender Einkommensfaktor in der Zeit vor den Direktzahlungen war. Eine Postkarte und einem Plakat der Bündner Tourismuswerbung bezeichnete die Tiere einmal als «Kurgäste beim Eintreffen in Graubünden».[59] Mitte der achtziger Jahre wurde die alte Bündner Grauviehrasse wieder entdeckt nachgezüchtet.[60] Nebst Schweizer Original Braunvieh und Grauvieh, wurden vermehrt Milch-Hochleistungsrassen Brown Swiss und Holstein aus dem Unterland auf die Alpen der Surselva gebracht, vor allem auch grosse und schwere Tiere, die wenig geeignet waren, um sich in alpinem Gelände zu bewegen. Alpschweine gehörten zu allen Alpen auf denen gemolken und Käse hergestellt wurde. Sie wurden als Jungtiere auf die Alp gebracht, mit der Schotte, dem Restprodukt der Käserei gefüttert und im Spätherbst geschlachtet. Um 1900 war das «Bündner Oberländer Schwein» noch verbreitet, eine schwarze, hochbeinige Rasse.[61] Dann war sie während Jahrzehnten mehr oder weniger verschwunden, bis es Versuche zur Nachzüchtung gab.[62] Pferde waren gemäss obiger Statistik in den sechziger Jahren wenig auf Alpen der Surselva anzutreffen; es handelte sich eher um Arbeitstiere wie auf Alp Naustgel und nicht um Sömmerungsherden. Zahlenmässig bedeutend war die Schafhaltung. Heimisch war das Bündner Oberländer Schaf, das im 20. Jahrhundert mehr und mehr vom weissen Alpenschaf verdrängt wurde. Die Schafherden wurden in der Surselva früher immer von einem Hirten gehütet, wie zum Beispiel die Brigelser Schafe auf der Limmernalp jenseits des Kistenpasses[63] oder die Somvixer Schafe auf der Greina[64]. Die Schafe hatten doppelten Nutzen, erstens für das Fleisch und zweitens für die Wolle. Nicht von ungefähr war in Trun bereits um 1864 eine Schafwollweberei eingerichtet worden, seit 1912 war das die Tuchfabrik Trun, die bis zur Schliessung 2001 die Wolle der Schafe verarbeitete.[65] Kleider aus Wolltuch, oft ältere etwas zerschlissene Stücke, waren bei Älplern, wie «bei Jägern und Bergführern» üblich, schreibt Richard Weiss, und im Oberland gehörte der «breitkrämpige Wetterhut» aus Wollfilz dazu.[66]

 

  1. Immaterielle Kultur, Alpbräuche und Alpsitten

«Per ch’il Signur protegi las muntaneras vegn il prer pagaus da vegl enneu dad ir ellas alps cun sia benediziun. Ellas alps da vaccas survegn el da vegl enneu tons e tons kilos pischada…».[67] Gemäss Richard Weiss war es um 1940 noch üblich, dass der Pfarrer einen Anteil an den Alpprodukten bekam.[68] Während das Segnen der Alp eine althergebrachte Sitte auf vielen Alpen in der Surselva war, hörte man den in andern katholisch geprägten Alpenregionen wie in Appenzell Innerrhoden, dem Sarganserland oder in Uri ausgeübten Betruf der Älpler, das «Ave Maria dils signuns», im 20. Jahrhundert nicht mehr.[69] Das Tibablasen war hingegen verbreitet. Der Volksmusikforscher Hanns in der Gand hatte am 3. Mai 1931 auf Alp Run bei Disentis den Hirt Leonhard Levy[70] mit einer selbst hergestellten Tiba aus Tannenholz fotografiert.[71] In späteren Jahren wurden die Tiben aus Blech von Spenglern hergestellt und zum Verkaufe angeboten.[72] Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war der Milchmesstag ein wichtiger Termin des Alpsommers, an dem alle Alpgenossen auf die Alp kamen. Im Hinblick auf die Verteilung der Milchprodukte auf die einzelnen Bauern gab es einen Stichtag, an dem der Ertrag pro Kuh gemessen und notiert wurde. Der Vorgang war ritualisiert und lief so ab, dass möglichst gerechte und faire Ergbnisse notiert werden konnten. Giacun Hasper Muoth hatte den Messtag im Epos «A mesiras» phantasievoll beschrieben.[73] Die Alpentladung ((( la scargada))) wurde in der Surselva ab den 1970er Jahre festlicher gestaltet, aber nie so prunkvoll wie in Appenzell, im Toggenburg oder im Freiburger Greyerzeland. Die Kühe, die z.B. von Alp Naustgel nach Val getrieben wurden, trugen einen Kopfschmuck aus Tannenzweigen, die Heerkuh, die stärkste und die Heermesserin, die ertragreichste, eine grosse, geschmiedeter Plumpe, die übrigen Kühe Messingglocken. Folkloristischer wurden die Alpabzüge um die Jahrtausendwende auch mancherorts in der Surselva, zum Beispiel in Breil/Brigels oder Disentis/Mustér. Sie dienten inzwischen auch touristischen Zwecken. Nach der Alpentladung fand das Käseteilet (((spundivas))) statt, alle einheimischen Bauern, die Kühe auf der Alp gesömmert hatten, waren jeweils anwesend. Sie wickelten die ihnen zugeteilten Käseleibe sorgfältig in Tücher ein, luden sie, solange noch keine Fahrstrassen bestanden, auf Fuhrschlitten, später auf Fuhrwerke oder Traktoranhänger und genossen vor dem Transport ins Tal oft gemeinsam eine Mahlzeit mit viel Rahm. Zum immateriellen Kulturerbe gehören auch in der Surselva die Sagen. Einige waren bereits 1901 von Caspar Decurtins im zweiten Band der Chrestomathie abgedruckt, weitere erschienen 1941 in Anton Derungs‘ Dallas alps de Lumnezia aus Surcasti[74] und schliesslich gab Peter Egloff 1982 mit Kirche im Gletscher, Rätoromanische Sagen aus der Surselva eine kleine Sammlung neu heraus, u.a. mit der hübschen Geschichte Das verhexte Kalb auf der Alp Val Tenigia (((Il striun dil tgau vadi e l’alp Val Tenigia))), wo Kurtourismus und Alpwirtschaft sich vermischen: Ein Bauer, der sein Kalb vermisste, sah für einen Augenblick einen Menschen mit einem Kälberkopf, wohl ein Gast vom Tenigerbad, und war überzeugt, «dass der Herr mit dem Kälberkopf sein verhextes Kalb gewesen sei – verhext!» (((«ch’ei fuss stau ch’il signur cul tgau-vadi eri siu vadi – strienau!»))) [75]

 

  1. Fazit und Ausblick

Das Alpwesen in der Surselva blieb in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in praktisch allen Façetten traditionell. Es funktionierte im Rahmen der inneralpinen Selbstversorgungs-Landwirtschaft bis zur Jahrhundertmitte nach überkommenen Nutzungsregeln, war personalintensiv und diente abgesehen vom Viehverkauf in hohem Mass der Eigenversorgung. Die Einrichtungen auf den Alpen waren einfach, aber durchaus funktional. Das Alppersonal war bis gegen 1970 fast ausschliesslich einheimisch und männlich, wobei die jüngsten Gehilfen erst zehnjährig oder wenig älter waren. Ab Mitte der 1970er Jahre betreuten mehr und mehr Frauen und Männer von auswärts die Alpen in Graubünden und zunehmend auch in der Surselva.

Die Modernisierung der Alpwirtschaft wurde durch die Erschliessung der Alpen mit subventionierten Meliorationsstrassen, mit dem von der öffentlichen Hand unterstützten Bau von Alpställen und der Erneuerung von Alpsennereien oder mit der Erstellung von Milchleitungen zu den Dorfkäsereien vorangetrieben. Die Erneuerung verlief nicht in allen Teilen der Surselva gleich schnell; sie begann Mitte fünfziger Jahre auf Alpen über dem Haupttal und vollzog sich in einzelnen Seitentälern erst in den achtziger Jahren. Weitere Faktoren des Wandels waren die zunehmende Mechanisierung der Berglandwirtschaftsbetriebe bei gleichzeitigem Rückgang der Zahl der auf den Bauernhöfen arbeitenden Menschen. Parallel dazu bzw. in Wechselwirkung verlief die Abwanderung sowie der Wechsel vieler männlicher land- und alpwirtschaftlicher Arbeitskräfte in das Baugewerbe oder in Industriebetriebe (z.B. die Emserwerke).[76] An ihre Stelle traten die «neuen Älplerinnen und Älpler» von auswärts. Diese lernten das Sennerei-Handwerk in den Sennenkursen an landwirtschaftlichen Schulen. In den 1990er Jahren setzte in der Schweiz der Wandel von Milchkuhalpen mit Käseproduktion zu Mutterkuhalpen ein, etwas später begann dieser Prozess auch in der Surselva und manche der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erneuerten Alpsennereien wurden überflüssig. [77] Während die Bedeutung des gealpten Zuchtviehs an Bedeutung verlor, nahm die Produktion von qualitativ hochstehendem Alpkäse zu und wurde zu einem wichtigen Beitrag an die Wertschöpfung der Alpen. Dies allerdings mit Grenzen: Auf Kosten der Milchkühe nahm die Zahl der gesömmerten Mutterkühe zu und die zur Herstellung von Alpkäse zur Verfügung stehende Milchmenge nahm ab. Alpsennereibetriebe wurden zusammengelegt oder aufgegeben [78]. Ab den siebziger Jahren wurde die ökologische Bedeutung der Bewirtschaftung und Pflege der Alpflächen zunehmend erkannt. Um diese zu erhalten, um der Vergandung entgegenzuwirken und um den Rückgang der gesömmerten Tiere zu bremsen wurden 1980 erstmals Sömmerungsbeiträge ausbezahlt.[79]

 

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Internet Plattformen (Websites) und Links:

 

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https://bergblicke.info/de/interview/arbeit-alp/#more-332,

https://www.rtr.ch/play/tv/rtr/video/alp-ramosa?urn=urn:rtr:video:906dbdf5-cc1a-4135-b60f-a61dcb95a807, 18.05.2022.

 

[1] Der hier publizierte Text über die Alpkultur der Surselva basiert auf einem Vortrag in der Casa d’Angel, Lumbrein, den ich im Rahmen der Ausstellung mit Fotografien aus der Surselva von 1900 bis 1950 ((Fotografias dalla Surselva 1900-1950, Casa d’Angel: veta purila)) hielt. Vgl. dazu den Zeitungsbericht von CABALZAR, MARTIN (2020), Alpicultura ei dapli ch’agricultura, Referat davart la historia ed il svilup dall’alpicultura, in: La Quotidiana, 19-08-2020.

[2] Ich hatte mich seit den 1970er mit Fragen der Alpwirtschaft beschäftigt, wiederholt auch in der Surselva: Kruker 1973; Maeder&Kruker 1983 120-122 (Carpet und Greina), 123-135 (Alp Naustgel), 136-139 (Alpen Zalön und Gün); Kruker 1992, 1010-1012, Kruker/Solèr 2022, 34 (Alp da Lumbrein), 56-27 (Alp Ramosa), 159 (Alp Sura da Rueun), 163 (Alp d’Andiast), 237 (Alp Naustgel), 258-59 (Alp Pazzola). Meine Arbeitsmethoden waren nebst Literaturstudium Teilnahme und Beobachtung, qualitative Interviews, dokumentarische Fotografie.

[3] Jon Mathieu im Vorwort der Neuauflage von Weiss 1992.

[4] Hager 1916, 54.

[5] Stadler 2013, 865-866.

[6] Schilling 2005, S. 5-9; 32.

[7] Schilling 2005 S. 9, Tabelle 1.

[8] Schilling 2005, 17, gemäss Lehrmittel für die Praxis und den Unterricht – Sennenkurs Plantahof 2003, S. 54.

[9] Dosch, 2002, 336.

[10] Bernhard & Caprez 2006, 111.

[11] https://www.alpenmagazin.org/index.php/extensions/alpwirtschaft/206-alp-diesruth-im-widerstreit-der-interessen, 23.2.22).

[12] Werthemann 1973, 155.

[13] Werthemann 1969, 217; Maeder/Kruker 1983, 137.

[14] Weiss 1940, 2: Die Weidstufen der Alp, «tegia sut, miez, sura». Zitiertes Beispiel «L’alp Soliva ha treis midadas» (Zitat gemäss Calender Glogn 1940, 75).

[15] Weiss 1941, 31; Collenberg 1972, 56.

[16] Fischbacher 1985, 83.

[17] Hager 1916, S. 55.

[18] Camenisch 1924, 12.

[19] Bernard&Caprez, Chur 2006, 69, 79.

[20] Dosch, 2002, 336.

[21] Collenberg 2016, Vrin, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 15.12.2016. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001464/2016-12-15/, (27.04.2022).

[22] Martin Arnold, Alp Diesruth: Im Widerstreit der Interessen. Darin wird Bezug genommen auf Retus Sgier, der im Rahmen der Lehrerausbildung 1984 eine Abschlussarbeit über die geschichtliche Entwicklung der Alp Diesrut schrieb. Auskunftsperson war u.a. der damalige Präsident der Alpgenossenschaft Diesrut, der Bauer Vinzens Walder aus Dardin-Capeder.

https://www.alpenmagazin.org/index.php/extensions/alpwirtschaft/206-alp-diesruth-im-widerstreit-der-interessen (04.05.22).

[23] Pollini-Widmer 2000, 90; Schmid & Schmid 2006, 73.

[24] Pally 2009, 252.

[25] Aebli-Trümpi (o.J.), 8-12; Friberg&Murer&Zuber 2007, 20.

[26] Weiss 1941, 269-293.

[27] Zur «Misere beim Alppersonal»: Foppa 2014, 10.

[28] Schmid 1955, 146.

[29] Maeder&Kruker 1983, 140-145, Kruker 1992, 1031.

[30] Fischbacher 2006, 1.

[31] Werthemann 1969, 243.

[32] Maeder/Kruker, Hirten und Herden 1983, S. 123-135; Vgl. auch Die Sennütte von Naustgel, Fischbacher 2005, 2 und Zwei Filme von Alp Naustgel, Fischbacher 2006, 2).

[33] Bearth 1985.

[34] Abbildung 41 und 43 in Weiss 1941 zeigen die gleiche traditionelle Form des Melkeimers.

[35] Fischbacher 2006, 1.

[36] Bearth 1985, S. 12.

[37] Ab etwa 1982, als die Alpstrasse im Zusammenhang mit der Alpmelioration verlängert worden war, transportierte der Senn die frischen Käselaibe mit Ross und Wagen zum Keller, so zu sehen in einem 1982/83 aufgenommenen Film über die Arbeiten auf Alp Naustgel von Meinrad Bearth (Fischbacher 2006, 2).

[38] Bearth 1985, P. Bearth arbeitete im Ingenieurbureau Lutz, Schmid & Co., das mit vielen Meliorationen in der Surselva beauftragt war.

[39] Berger 1980, 4-5. Analoge Arbeiten erfolgten auf vielen Alpen in der Surselva. Z. B. auch für die Alpen Gün und Zalön (Jakob Rohrer AGFF 1982, ich hatte den Forscher bei seinen Kartierungsarbeiten begleitet).

[40] Kruker&Solèr 2022, 237. Pauli Degonda aus Surrein war seit den frühen 50er Jahren, zuerst als Zusenn, dann als Senn tätig, also beinahe 40 Jahre lang.

[41] Bearth 1985, 15.

[42] Fischbacher 2006, 2 im Kommentar zu einem 2001 aufgenommenen Video von Meinrad Bearth über die Arbeit auf der modernisierten Alp Naustgel.

[43] Vgl. auch Pally 2009, zu den Veränderungen auf der Medelser Alp Pazzola seit den Lebzeiten von Giacun Hasper Muoth.

[44] Werthemann 1969, 226-239.

[45] Werthemann 1969, 140; Caviezel, 260-262.

[46] Werthemann 1969, 246; Bundi 2016, 32, vgl. auch Vinzenz 1960, 24.

[47] Werthemann 1969, 222.

[48] Kruker 1979, 122.

[49] Werthemann 1969, 235.

[50] Werthemann 1969, 243. Pfister&Pfister 2013, unpaginiert.

[51] Werthemann 1969 243-44 und Heller 1976, 10.

[52] Krebs 2004, 362.

[53] Krebs 2004, 362-363. Vgl. dazu auch Pally 2009, die Maturaarbeit von Sandro Pally an der Klosterschule Disentis, u.a. mit einer Darstellung des Wandels der Bewirtschaftung der Alp Pazzola und des Personals bis zum Jahr 2006.

[54] Erfassungsjahre 1964-1967, Werthemann, 1973, Bezirk Glenner (38 Gemeinden),179-180 Bezirk Vorderrhein (Gemeinden Breil/Brigels, Disentis/Mustér, Medel, Schlans, Sumvitg, Tavetsch, Trun), 192.

[55] Die Ziegen waren eigentlich nicht gealpte Tiere im engeren Sinn. Sie wurden an vielen Orten täglich von Hirten am frühen Morgen auf teils dorfnahe, teils weiter entfernte hoch gelegene Weiden getrieben und am Abend zurück in die Dörfer. Die Ziegenmilch war unentbehrlich in der Zeit, während der die Milchkühe auf den Alpen waren. Den Auftrieb der Ziegen bis in die Wildheuberge über Pitasch beschrieb Caviezel 2021, 260.

[56] Statistik für das Jahr 1859 in Schenker-Nay 2015, 30 und Alpkataster, Besatz 1963 für ausgewählte Gemeinden, Tabelle 17 in Werthemann 1969, 251.

[57] Schenker-Nay (2015, 30) aufgeführten Statistik für das Jahr 1859 war von den insgesamt 15’000 erfassten Schafen rund ein Drittel «fremdes Vieh». Zur Herkunft auswärtiger Schafe in der Surselva gibt es wenig Informationen, anders als für die Alpen Südbündens, wohin Bergamasker Wanderhirten ihre Tiere hingetrieben hatten.

[58] Casutt, C.P.1959, 207, Il puresser els davos 100 ons, in: Calender Romontsch 100, Mustér, Stampa Romontscha 1959, 194-221, zitiert in Pally 2009, 282.

[59] «Übersommern in Graubünden», Verkehrsverein Graubünden (GR14), nach einer Fotografie von Andreas Wolfensberger.

[60] Frey 1987.

[61] Stebler 1903, 183, Fig. 109.

[62] Die Schweizerische Stiftung pro specie rara engagiert sich für Wiedereinführung des schwarzen Alpenschweins (https://www.prospecierara.ch/tiere/rassenportraets/schweineportraets/schwarzes-alpenschwein.html, 06.05.2022). Auf Alp Nadéls sind inzwischen wieder Tiere anzutreffen (https://www.srf.ch/news/regional/ostschweiz/schwarze-alpenschweine-beinahe-ausgestorben), 06.05.22

[63] Eine NZZ-Fotoreportage zeigt diesen Schafzug eindrücklich: Mäder & Baumann 1983.

[64] Erlebnisse und Gedanken eines Schafhirtes auf der Greina sind literarisch verarbeitet bei Tuor 1988.

[65] https://trun.ch/de/gemeinde/portraet/geschichte/(06.05.2022.

[66] Weiss 1941, S 331.

[67] Tuor 1988, 74, Pally 2009, 254-260.

[68] Weiss 1941, 191.

[69] Stäehelin (1982, 3) weist auf vereinzeltes Vorkommen des romanischen Betrufes im Oberhalbstein hin; zur Surselva: Capaul & Degonda & Egloff 1988, 16 sowie Egloff, Peter, Anmerkungen des Übersetzers in Leo Tuor, Giacumert Nau, deutschsprachige Ausgabe, Chur, Octopus 1994, 141.

[70] Leonhard Levy, gestorben am 27.12.1936 war der Grossvater des Schriftstellers Leo Tuor, er selber hat ihn nicht gekannt, aber er hat Fotos und Erinnerungsdokumente, unter anderem auch einen Aufsatz von Leonhard Levy zur Alp de Lavaz im Pelegrin August 1918 (persönliche Mitteilung vom 04.08.2020).

[71] In der Gand, 1937/38, 108.

[72] Weiss 1941, 155.

[73] G.C. Muoth, A mesiras , Chrestomathie I, 681-685, zitiert bei Weiss 1941, 129.

[74] Angaben zu Caspar Decurtins und Anton Derungs aus Egloff 2015, 152-155; Egloff erwähnt auch Nadina Derungs Studie zu ihrem Urgrossvater ((basat)) Anton Derungs in Annalas 125, 2012, 255-274.

[75] Egloff 2015, 37. ((romanisch: 2015, 36))

[76] Foppa 2014, 10: Abschnitt «Die Krise in den 60er Jahren».

[77] Schilling 2014, 33. Typisch für die Entwicklung der Alpwirtschaft in der Surselva ist das Beispiel der Alp da Schlans, deren Sennerinnen und Sennen hochwertigen und während Jahren gesuchten Alpkäse produzierten: Sie wurde von einer Milchkuhalp zu einer Mutterkuhalp. Nicolaus Pfister hat die Entwicklung der Alp über viele Jahrzehnte verfolgt in Reminiscenzas – L‘Alp da Schlans e la veta purila beschrieben und «La davosa zignuna dall‘Alp da Schlans egl onn 2010» erwähnt (Pfister & Pfister 2013, ohne Paginierung).

[78] Flury 2005, 384.

[79] Hofer&Maier 2013, 44.

Dieser Beitrag ist in romanischer Sprache ab 2024 in annalas 135/2022 : https://www.e-periodica.ch/digbib/volumes?UID=ann-001.

 

 

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